Bordairrace Garmisch-Partenkirchen 2022
Selektiv und hochkarätig
Am Pfingstwochenende 2022 fand in Garmisch-Partenkirchen das zweite von drei Bordairraces in dieser Saison mit 64 Teilnehmern statt. Die Verhältnisse waren nicht einfach und einigen erfahrenen Athleten gelang es nicht, wirklich auf Strecke zu gehen. Wer hingegen erst mal richtig aufgedreht hatte, konnte – mit Können und ein wenig Glück – weit kommen. Am Ende setzte sich Gerald Gold nach einem starken Flug und einem Gewaltmarsch von 132,5 km von Kufstein zum Ziel durch – knapp vor Christian Schugg und Julian Schweizer. Bei den Damen gewann Celine Lorenz vor Aline Schäfer und Lisa Bauer (im Tandem mit Nora Kühnhausen). Weitere Information: http://www.bordairrace.com
Das Bordairrace in Garmisch-Partenkirchen war in mehrererlei Hinsicht außergewöhnlich: die unsichere Wettervorhersage, das Absaufen von erfahrenen Athleten, die erfolgreichen Flüge in unterschiedlichste Richtungen – und vor allem: sensationelle Leistungen! Im Einzelnen…
Die Wetterprognose änderte sich in der Woche vor dem Rennen täglich und am Tag vor dem Start fast stündlich. Welche Richtung würde die beste sein, um sich in den 33 Stunden Hike & Fly möglichst weit vom Start zu entfernen und wieder rechtzeitig zurückzukommen? Hinzu kam die klare Ansage der Veranstalter, dass sich alle Teilnehmer streng an die gesetzlichen Vorgaben bezüglich der Startplätze in Deutschland würden halten müssen. Und zugelassene Startgelände gibt es rund um Garmisch nicht gerade viele… Also kamen eigentlich nur drei bzw. vier Optionen in Frage:
- Der Wank mit der Route nach Osten bietet die den großen Vorteil, dass der Rückweg zu Fuß in relativ gerader Linie und mit wenig Höhenmetern verläuft. Diese Strecke hat aber den ganz großen Nachteil, dass die Athleten im Falle des Absaufens bis zum Brauneck hiken müssen. Und das ist weit!
- Wer am Osterfelder Kopf startet und aufdrehen kann, hat ein ganzes Spektrum von Routen zur Wahl: Nach Südosten (Karwendel / Inntal), Süd (Ötztal, Pitztal), Südwest (Reschenpass, Engadin, Paznauntal, Arlbergpass) oder West (Lechtal). Allerdings mit der Gefahr des Absaufens im Reintal im Wetterstein, wo es kaum Landeplätze gibt, oder schlimmer noch: direkt am Fuß der Osterfeldes, also bei Start und Ziel…
- Die Startplätze Gamskar bzw. höher darüber gelegen in der Nähe der Wiener Neustädter Hütte bringen den Vorteil mit sich, dass man sich beim Aufstieg schon in Richtung Südwest bewegt und Kilometer gut macht, sowie im Falle des Absaufens diverse Wiederstartmöglichkeiten von den Bergen rund um das Ehrwalder Becken hat – Österreich sei Dank.. Dafür sind sie als Startplätze eher „tricky“…
Für alle Optionen gab es also Argumente dafür – sowie mehr noch dagegen. So mancher Athlet entschied sich erst beim Startschuss, in welche Richtung er sich bewegen würde.
Als weniger tauglich zeigten sich die beiden tiefer gelegenen Startplätze Wank (1750 m) und Gamskar (1840 m). Denn thermisch zog es zunächst von unten heraus schlecht durch. Wer höher am Osterfelder (2040 m) oder bei der Wiener Neustädter Hütte (über 2200 m) startete, hatte bessere Chancen, aufzudrehen und auf Strecke zu gehen. Aber dann richtig! Entgegen der Wettervorhersage konnten die Piloten praktisch in alle Richtungen auf Strecke gehen.
Von den Top 10 flog Gewinner Gerald Gold (202,8 Punkte) solo nach Ostsüdost und setzte seinen Wendepunkt in Kufstein. Christian Schugg auf Platz 2 (201,9 Punkte) war an seinem Wendepunkt im unteren Engadin auch alleine unterwegs. Das Paznauntal wählten Julian Schweizer (3., 195,2 Punkte), Maxi Loidl (4., 193,35 Punkte), Dan Oberauer (5., 186,4 Punkte) und Rene Aglas (8., 148,8 Punkte). Im Lechtal setzten David Hasko (6., 171,1 Punkte), Markus Waltl (7., 156,8 Punkte) und Michal Radzicki (10., 144,7 Punkte) ihren „Wendepunkt am Limit“. Mit 145,1 Punkten auf Platz 9 war Kai Nowack der Bestplatzierte unter jenen, die am Wank starteten und den vermeintlich einfachen Weg nach Osten wählten.
In der Damenwertung gewann Celine Lorenz (108 Punkte) vor Aline Schäfer (85,5 Punkte) und dem Damentandem Lisa Bauer/Nora Kühnhausen (80,9 Punkte).
Die Fun-Klasse (Schirme bis maximal EN/LTF B) konnte Alexander Koller (137,7 Punkte) für sich entscheiden, vor Lorenz Hüper (109,2 Punkte) und Arnold Lesnik (107,9 Punkte).
In der Tandemwertung machten sich Co-Veranstalter Tomy Hofbauer und seine jüngst angetraute Uli mit ihrem Sieg ein nachträgliches Hochzeitsgeschenk. Aber sie mussten sich ihre 93,9 Punkte schwer erkämpfen, denn aus dem erhofften Abendflug am Tag 1 wurde nichts: der vermeintliche Startplatz war leider keiner! 1000 Höhenmeter aufsteigen – um dann wieder 1000 Höhenmeter abzusteigen und fast 86 km zu wandern… Zweite in der Tandemwertung wurden Lisa Bauer und Nora Kühnhausen (80,9 Punkte) vor Christoph Schmid mit Regina Bauregger (1,7 Punkte).
Rund ein Drittel der insgesamt 64 Teilnehmer ging in der Niviuk Unsupported-Wertung ins Rennen. Diese neue Kategorie gilt für alle Athleten, die ohne Supporter unterwegs sind. Eine gute Idee, denn ohne Supporter ist die Teilnehme knackiger. Hier gewann Dan Oberauer (184,6 Punkte) klar vor Kai Nowack (145,1 Punkte) und Arnold Lesnik (107,9 Punkte).
Die NOVA-Trophy für den punktbesten Einzelflug des Events gewann David Hasko. Er rang dem Tag eine Flugstrecke von 120,6 km in 8:44 Stunden ab! Das reichte vom Start am Osterfelder bis fast nach Lech und zurück bis nach Lermoos. Interessant ist in der genaueren Analyse sein Rückflug: er bewältigte diesen Abschnitt mit sehr viel Geduld praktisch ausschließlich im Soaring-Modus.
Nicht alle Athleten konnten so weit zurück fliegen wie David Hasko. Zum Teil wurde gewandert bis die Socken qualmten. Rene Aglas legte mit satten 135 km die längste Strecke zu Fuß zurück, Gesamtsieger Gerald Gold folgte ihm mit 132,5 km. Zu den elf Athleten, die „dreistellig wanderten“, gehörte auch Aline Schäfer mit 106,3 km.
Insgesamt liegt sowohl das fliegerische als auch das athletische Level bei den Bordairraces mittlerweile sehr hoch. Hier wird Spitzensport betrieben – was aber nicht heißt, dass es übermäßig verbissen zuginge. Vor allem weiter hinten im Feld legt man über Nacht auch mal die Beine im Gasthof oder dem Wohnmobil hoch und schert sich wenig um ein paar verlorene Plätze. Für die meisten Teilnehmer steht – allen körperlichen Anstrengungen zum Trotz – der Spaß an der Sache im Vordergrund. Kameradschaft, Miteinander und das schöne Gefühl, nicht der Einzige zu sein, der bei solchem „Unfug“ mitmacht…
Dazu trugen beim Event in Garmisch-Partenkirchen auch der Werdenfelser Gleitschirmclub mit seinen engagierten Helfern bei, sowie der vor Ort ansässige Hersteller UP mit Matthias Hartmann als Race Director. Perfekte Organisation und eine positive Grundstimmung bilden die Basis den Erfolg der Bordairrace-Rennserie. Und so mancher Teilnehmer, der sich noch im Ziel schwor „nie mehr wieder“, steht ein paar Tage später doch wieder um Mitternacht auf, um sich rechtzeitig anzumelden und einen der begehrten Startplätze für das nächste Rennen zu ergattern.
In diesem Sinne: See you in Bergen am Hochfelln!
Infos zur Rennserie: http://www.bordairrace.com
Ergebnisse: https://races.bordairrace.com/race/14
Das Live-Tracking kann man hier nach-schauen: http://bordairrace.live-tracking.com/